Erinnerung an Mama: Quilts für zwei Schwestern.

In ein paar Tagen ist es genau ein Jahr her, dass ich begonnen habe, an den Erinnerungsquilts für zwei Schwestern aus der Kleidung ihrer verstorbenen Mutter zu arbeiten. In diesen fast 12 Monaten, die seitdem vergangen sind, ist eine ganze Menge passiert. Zunächst mal hat mir mein Rücken große Probleme gemacht, weswegen ich faktisch gar nicht wirklich in der Lage war, effektiv an der Nähmaschine zu arbeiten. Wann immer es ging, arbeitete ich an diesen Quilts weiter, aber es ging eben oft nicht. Und dann sind 2016 so viele Menschen gestorben. Politiker*innen, Prominente, Legenden. Aber leider auch nicht wenige aus meinem engeren und erweiterten persönlichen Umfeld. Es ist bitter, dass ich wirklich nachzählen muss, wie viele es waren: Sieben. Sieben Menschen in 12 Monaten. Diese krasse Häufung und jedes Mal die Trauer, wenn der letzte Tod noch nicht verwunden war, haben mit Sicherheit auch dazu beigetragen, dass es mir immer wieder ziemlich schwer gefallen ist, mich diesen beiden Quilts mit der nötigen Contenance zu widmen.
Glücklicherweise ist die Auftraggeberin nicht nur geduldig, sondern auch verständnisvoll, und nimmt mir nicht übel, dass das alles so lange gedauert hat. Jetzt sind sie jedenfalls fertig, und ich finde, das Warten hat sich gelohnt.


img_7895

img_7892

Gewünscht waren zwei Quilts, der eine mit Vogelmotiv, der andere mit Sternmotiv. Ich hab ein Weilchen gebraucht, bis ich – auch anhand der vorhandenen Auswahl  an Kleidungsstücken – ausgearbeitet hatte, wie ich das am besten realisiere. Die Kleidungsstücke waren enorm unterschiedlich: Flutschige, glänzende Seide, Jersey, vermutlich jahrzehntealte Lieblingsstücke aus Baumwolle, sommerlich hauchdünne Viskose, Jeans, fransender Leinen und so weiter. Es hat enorm viel Zeit gekostet, diese unterschiedlichen Materialien so halbwegs auf ein Verarbeitbarkeits-Niveau zu bringen, das heißt: Unterschiedliche Vliese aufzubügeln, damit sich nichts mehr verziehen kann, die Kanten zu versäubern, damit nichts „wegribbelt“ und das zugeschnittene Quadrat am Ende einen halben Zentimeter kleiner ist, die hauchdünnen Stoffe mit weißer Baumwolle zu hinterlegen, damit das Batting nicht durchschimmert. Trotz all dieser Vorbereitungsmaßnahmen blieb es eine Herausforderung, möglichst präzise zu arbeiten. An manchen Stellen verzog sich eben doch was und es entstand ein Fältchen, wo keins hinsoll. Falls ihr jemals so einen Erinnerungsquilt selbst nähen wollt: Lasst euch davon nicht entmutigen. Bei so vielen verschiedenen Materialien geht es einfach manchmal nicht anders, und die kleinen Ungereimtheiten gehören dazu, wie Fältchen in einem alternden Gesicht.


img_7897

img_7896

Die Grundidee wird wahrscheinlich schon klar, wenn man sich die beiden Bilder ansieht: Auch die Quilts sind ein bisschen wie Schwestern. Beide haben einen Übergang von dunkel nach hell, nur in unterschiedliche Richtungen. In einem Quilt erleuchtet ein großer Stern das dunkel, und ein weiterer kleiner Stern funkelt am dunklen Himmel. Im anderen Quilt lösen sich Vögel aus der Dunkelheit und fliegen ins Licht.
Beides sind schöne Metaphern für Leben und Tod, Trauer und Trost, Hoffnung und Erlösung. Und trotzdem, finde ich, sind die Bilder noch nicht zu schwer, um die Quilts im Alltag um sich haben zu können. Der große Patchwork-Stern auf dem einen Quilt ist ein Star-in-a-Star, also ein großer Stern, der einen kleinen Stern in sich trägt. Ein recht bekanntes Patchwork-Motiv, für das es viele verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten gibt. Ich habe mich gerade für dieses Sternenmotiv entschieden, weil es so eine schöne mütterliche Komponente hat und im Zusammenhang mit der Geschichte dieses Quilts eine tröstende Wirkung ausstrahlt. Der kleine Stern am dunklen Nachthimmel ist mit English Paper Piecing gemacht und dann per Hand mit winzig kleinen Stichen auf das Quilt Top appliziert.


img_7932

img_7931

Das gleiche Prinzip habe ich für die Vögel auf dem zweiten Quilt angewendet – erst alle von Hand mit Hilfe von selbstgemachten Schablonen zusammengenäht, dann mit winzigen Stichen von Hand auf den Quilt aufgebracht. Ja, das ist viel Arbeit. Aber mit der Maschine genäht würde es einfach nicht so gut aussehen (und es wäre Frevel, so rein handwerklich! ;-) ).

img_7930

Und wenn wir schon dabei sind: Natürlich wird auch das Label ganz zum Schluss von Hand aufgenäht. Das ist immer ein besonders schönes Abschiedsritual für mich. Denn in so einem Quilt steckt eine Menge meines Herzblutes drin – vor allem in solchen Erinnerungsquilts. Ich bin sehr glücklich, dass ich diese beiden Quilts zu einem Abschluss bringen konnte und sie endlich auf die Reise in ihr Zuhause schicken kann.  Ich hoffe, die beiden zukünftigen Besitzerinnen haben viel Freude und schöne Momente beim Streicheln der einzelnen Stoffquadrate.