Critical Mass – mehr Rechte für Radfahrer_innen!

15123066751_b792b95c55_bWie einige von euch ja bereits wissen, leben wir bewusst autofrei. Wir haben keine Autos, keine Führerscheine; wir erledigen alles mit Fahrrädern, unserem tollen Babboe- Lastenrad, zu Fuß, mit Öffis. Zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter. Für uns ist das ein politisches Statement gegen Benzinverschleuderung, Straßenverstopfung, Umweltverpestung und so weiter. Es kneift mich im Magen, wenn ich an der Ampel stehe und sehe, dass in gefühlt 95% der vorbeifahrenden Autos nur eine Person drin sitzt – tatsächlich sind es laut einer Statistik der Verbraucherzentrale „nur“ knapp zwei Drittel, was aber auch schon übel genug ist. Immerhin weiß die gleiche Statistik aber auch von sinkenden Führerscheinzahlen zu berichten und davon, dass vor allem bei jüngeren Menschen das Auto an Beliebtheit verliert. Sowas lese ich gern. Nicht, dass ich Autos nicht komfortabel und nützlich fände, aber muss es sein, dass jeder Haushalt mindestens eins davon fährt? Und das überwiegend für Kurzstrecken unter 5 Kilometern? Ich wünsche mir, dass möglichst viele andere Leute ihr Auto für solche kurzen Wege, wie etwa die zum Supermarkt, zur Arbeit, zur Kita etc. stehen lassen, und stattdessen aufs Fahrrad steigen. Und ich wünsche mir, dass der steigenden Zahl an Radler_innen im Straßenverkehr die angemessene Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. In meinem Blogpost über autofreies Leben habe ich euch ja schonmal zwei Videos gezeigt, in denen am Beispiel Kopenhagens deutlich wird, was alles so möglich wäre, um den Straßenverkehr auch für Fahrradfahrer_innen sicher und komfortabel zu gestalten. Leider ist selbst eine relativ zweiradfreundliche Stadt wie Freiburg noch relativ weit von diesem Ideal entfernt.

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Um auf die Bedürfnisse und Rechte von Radfahrer_innen als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer_innen aufmerksam zu machen, nehmen wir seit einigen Monaten, wann immer es uns möglich ist, an der Freiburger Critical Mass teil. Das ist eine legale Aktionsform, die bundesweit an jedem letzten Freitag des Monats stattfindet. Sie ist keine Demonstration oder ähnliches, und bedarf deshalb auch keiner Anmeldung. Die Critical Mass geht mit der StVo konform: Darin heißt es nämlich, dass eine geschlossen fahrende Gruppe von mindestens 16 (diese 16 sind dir „kritische Masse“) Radfahrer_innen im Straßenverkehr zu sehen und zu behandeln ist, wie ein einziges großes Fahrzeug. Das heißt: Ab dieser Gruppengröße dürfen Radler_innen in mehreren Reihen nebeneinander fahren, und wenn die ersten der Gruppe bei grün über die Ampel gefahren sind, dürfen die Schlusslichter diese auch noch bei rot passieren. Diese Regelung nutzt die Critical Mass, in dem sie sie einfach in Anspruch nimmt. Mehr nicht. Der Nebeneffekt ist natürlich, dass Autofahrer_innen durch den radfahrenden Pulk ausgebremst werden. Die müssen dann mal ein Weilchen hinter uns her tuckern, oder sich langsam an uns vorbeischlängeln. So können sie gar nicht anders als auf uns aufmerksam werden, und sie werden dazu gezwungen, auf uns Rücksicht zu nehmen – was sie sonst leider sehr oft nicht tun. Vielleicht merkt so der/die ein oder andere, dass es wichtig ist, Radfahrer_innen als vollwertige Mit- Teilnehmer_innen des Straßenverkehrs anzuerkennen und die verkehrstechnische Infrastruktur auch auf sie anzupassen. Wenn der Trend zum Rad nämlich weiter anhält und wir im Idealfall irgendwann Kopenhagener Verhältnisse wenigstens auf den Straßen einiger deutscher Städte haben, dann ist permanent eine große Zahl Fahrräder auf den Straßen unterwegs, und nicht bloß einmal im Monat für zwei Stündchen.

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Die schönen bonbonbunten Critical Mass- Buttons habe ich übrigens von einem Mit- Aktivisten aus Hamburg geschickt bekommen. Vielleicht sehen wir uns auf der nächsten Freiburger Critical Mass Ende September? Dann kannst du einen davon abhaben :)

Mehr zum Thema:

Ein schönes kurzes Filmchen über die Critical Mass könnt ihr euch hier anschauen.
Eine allgemeine Webseite zur kritischen Masse.
Die Webseite der Critical Mass in Freiburg, Hamburg, Berlin.
Gibt es auch in deiner Stadt eine Critical Mass?
Auch in Österreich gibts die Critical Mass.

 

(Das Copyright für die Fotos 2, 3 und 4 liegt bei Andreas Hege, Critical Mass Freiburg.)

Autofreies Leben: So allgemein und eure Fragen zum Babboe Lastenrad

Nachdem ich neulich von unserem Babboe berichtet habe, möchte ich heute nochmal kurz etwas allgemeiner über ein Leben ohne Auto und Lastenfahrräder schreiben – und die Fragen beantworten, die ihr mir gestellt habt.
Hier in Deutschland wird man angeguckt wie ein bunter Hund, wenn man seine Kinder mit dem Lastenfahrrad transportiert. Neulich ist ein Autofahrer über rot gefahren, weil er seinen Blick durchs Seitenfenster nicht von uns abwenden konnte…
…in den Niederlanden oder in Dänemark hingegen sind Lastenfahrräder genau so selbstverständlich, wie bei uns die omnipräsenten Kinder- Fahrradanhänger. Für Leute die, wir wir, ohne Auto auskommen wollen, macht so ein Lastenrad ja auch durchaus Sinn, weil man damit transportmäßig flexibler ist und nicht nur Kinder, sondern auch große Einkäufe, sperrige Dinge, Möbel, Umzugskisten etc. transportieren kann. Total interessant zu sehen finde ich, wie sich zum Beispiel Kopenhagen darum bemüht, die Verkehrs- Infrastruktur zugunsten der Rad- und Lastenradfahrer zu optimieren. 40% der Einwohner Copenhagens fahren leben autofrei und machen alles mit Fahrrädern!
Dazu habe ich euch zwei schicke Videos rausgesucht:

Es ist schon interessant zu sehen, was in der Hinsicht alles gehen kann. Unser Städtchen hier ist ja auch schon recht fahrradfreundlich, aber von Kopenhagen kann sich auch Freiburg noch zweidrei Scheiben abschneiden.

babboe.

babboe.

babboe.

babboe.

möbeltransport.

Unser Babboe hat sich innerhalb kürzester Zeit fest in unseren Familienalltag integriert. Wir fahren damit einkaufen, machen Ausflüge, habe auch schon eine Fahrt zum Möbelhaus und anschließenden Transport eines Schreibtisches hinter uns – für uns ist es nicht bloß eine lustige Ausflugsgondel, sondern eben ein echter Autoersatz. Die Reaktionen unserer Freunde und Bekannten auf das Babboe sind durchweg positiv bis euphorisch: alle finden es toll und wollen alles darüber wissen. Wir geben gerne Auskunft. Aber so begeistert, wie alle sind, so überrascht sind sie auch, wenn sie dann hören, dass wir damit eben genau solche Sachen machen, wie damit zum Möbelhaus fahren und Möbel nach Hause transportieren. Das kommt ihnen schrecklich anstrengend und umständlich vor. Dabei ist das mit der Anstrengung einfach nur eine Sache des Trainings, und umständlich ist es eigentlich nicht. Der Möbelkauf hat insgesamt auch nicht länger gedauert, als wenn wir mit dem Auto hingefahren wären.  Aber auch von meinen Leser_innen habe ich auf diversen Kanälen einige Fragen gestellt bekommen, die ich gerne beantworte.

Kannst du das Babboe auch für nur ein Kind empfehlen?

Das kommt drauf an, wie du lebst. Wenn du ebenfalls gerne ohne Auto auskommen möchtest und deshalb ein Lastenrad gut gebrauchen kannst, mit dem du eben auch mal größere und schwerere Sachen transportieren kannst, ist es sicherlich schick, wenn man da auch noch ein Kind mitfahren kann. Wenn du das Lastenrad in seiner Funktion als benzinfreier LKW aber nicht unbedingt brauchst, würde ich entweder ein „kleines Babboe“, oder doch einen Fahrradanhänger nehmen. Denn so ein Lastenrad lässt sich, Training hin oder her, insgesamt deutlich langsamer fahren, als ein normales Rad oder ein Rad mit Anhänger. Hat man viele Kinder oder schwere Last zu transportieren, ist das total in Ordnung. Will man nur ein Kind durch die Gegend kutschieren, ist die langsame Geschwindigkeit vielleicht ein kleiner Wehrmutstropfen.

Eignet sich das Babboe auch für größere Strecken?
Das Babboe? – definitiv. Es ist stabil und robust, die Gangschaltung ist prima auch für kleinere Hügel, das geht schon. Wir haben zum Beispiel vor, damit im Sommer am Rhein entlang nach Basel zu fahren. Die Frage ist eher ob der oder die Fahrer_in sich für lange Strecken auf dem Babboe eignet. Jemand, der ohnehin viel Rad fährt und entsprechende Ausdauer und Kraft hat, wird das gut hinkriegen. Und, wie schon gesagt, das Babboe fährt sich eher langsam. Man sollte also den Reiz des Radfahrens an sich zu schätzen wissen und es genießen können, in relativ langsamem Tempo durch die Landschaft zu gondeln.

Hast du Erfahrung mit anderen Sitzen oder ähnlichem und kannst sie vergleichen?
Wir haben seit fast 4 Jahren einen Croozer for 2, der mittlerweile was weiß ich wieviele tausend Kilometer gefahren ist, mittlerweile zwar echt abgerockt aussieht, aber immer noch treu seinen Dienst tut. Wenn es um Anhänger geht, würde ich den vorbehaltlos weiterempfehlen. Allerdings gefällt mir an Anhängern grundsätzlich nicht so gut, dass die Kinder auf Höhe der Autoauspuffe sitzen – ein Punkt in Städten mit weniger gutem Radwegenetz, wo man eben oft zwischen en Autos auf der Straße fahren muss.  Und ihr Ausblick bietet wenig mehr als den schaukelnden Elternpo. Im Babboe sitzen die Kinder deutlich höher, und da sie vor dem/ der Fahrer_in sitzen, haben sie uneingeschränkte Sicht auf alles.
Außerdem haben wir einen geerbten Kindersitz für den Gepäckträger. Die Dinger mag ich aber gar nicht. Da ich Rad mit Diamantrahmen fahre, ist das Auf- und Absteigen mit Kind hintendrauf enorm umständlich und doof, und man kann eigentlich nichts mehr transportieren dann: Ein Rucksack ist dem Kind tierisch im Weg, Satteltaschen gehen nicht mehr, weil der Kindersitz den Gepäckträger blockiert, Taschen am Lenker finde ich eh blöd.

Ist so ein Babboe nicht unverhältnismäßig teuer, bloß um Kinder damit herumzufahren?

Tja, da stelle ich mal eine Gegenfrage: Ist so ein Auto nicht unverhältnismäßig teuer, bloß um damit Kinder durch die Gegend zu kutschieren?
Ja, für so ein Kinder-/Lastenfahrrad kostet inklusive Zubehör ungefähr den Preis eines gebrauchten Kleinwagens. Kostet aber kein Benzin, keine Versicherung, keine Steuer und hat recht wenig Wartungskosten. Es ist also eigentlich verflucht günstig.

Das War’s für heute; wenn ihr weitere Fragen zu diesem Thema habt, stellt sie mir gerne, ich werde sie sammeln und in einem weiteren Blogpost beantworten.

Erweiterung des autofreien Fuhrparks: Unser Babboe!

Letztes Jahr bloggte ich ja schon mal was über unseren Alltag mit 3 Kindern und 0 Autos. Das Problem, das wir haben, wenn wir 3 Kinder transportieren müssen, hat sich leider nicht in Luft aufgelöst.  Zwar kann der Große die meisten Strecken schon selbst mit dem Rad fahren. Trotzdem kommt es ab und zu vor, dass auch er gefahren werden will oder muss. Und selbst, wenn er mit seinem Rad fährt, wird der Platz mit 2 Kindern im Anhänger und einem großen  gewöhnlichen 5- Personen- Einkauf ziemlich knapp. Auch für den Transport von 3 Kindern plus Spiel-, Bade- und Picknickequipment für uns alle 5 und einen ganzen Sommertag am See wurden wir im letzten Jahr etliche Male vor Herausforderungen gestellt, die wir teilweise mit etwas abenteuerlichen Konstruktionen lösten…

our new babboe cargo bike.

Die erste runde Frischluft nach der #seuche und die erste fahrt mit allen drei kindern im #babboe. Hat gerockt!(nein ich gucke nicht immer so grummelig ;)

Darum bin ich sehr glücklich darüber, dass wir nun die Gelegenheit bekommen haben, ein Babboe zu testen. Und – was soll ich sagen? Wir sind sehr verliebt in unser Babboe. Die allererste kurze Testfahrt die Straße hoch und runter kam mir sehr wackelig vor – so ein Babboe fährt sich schon ganz anders, als ein normales Rad. Die beiden größten Unterschiede sind, dass man sich nicht in Kurven reinlegen kann, und beim lenken mit dem Lenker teilweise sehr weit ausholen muss, um die Kiste um die Kurve zu kriegen. Das war erstmal ungewohnt. Aber gleich danach haben wir unsere Sachen in den geräumigen Kasten gepackt und sind damit eine größere Runde gefahren. Als erstes Mal auf den Kirchplatz, wo ich Slalomfahren um Bäume geübt habe, um mit der Handhabung in den Kurven sicherer zu werden. Von dort aus dann fast bis zum Waldkindergarten und unseren üblichen Heimweg von dort aus zurück. Es hat tatsächlich nur diese eine Probefahrt gebraucht, um mich auf dem Babboe sicher zu fühlen. Darüber bin ich immer noch baff, denn ich hatte mit einer längeren Eingewöhnungszeit gerechnet.
Und los geht's.

Ausblick bei regen.

our new babboe cargo bike.

In den ersten Tagen hatten wir noch keinen Babysitz für das Mädchen, so dass wir mit einer Auto- Babyschale improvisieren mussten. Das funktionierte ganz gut, aber mit dem Babysitz ist es besser. Man hat viel mehr Platz im Kasten und das Mädchen kann rausgucken.

Jetzt haben wir das gute Stück schon seit etwas über einer Woche in unserem Fuhrpark. Unser bisheriger Eindruck ist, dass sich alle Versprechen bewahrheiten. Es fährt sich sehr angenehm und leichtgängig – selbst Anfahren am Berg ist auch mit einem vollbesetzten Kasten kein Problem, die Gangschaltung ist wirklich super. Allerdings fehlen mir fast noch ein paar hohe Gänge, ich würde gern mehr Tretwiderstand haben, um schneller fahren zu können. Und in einer Stadt wie Freiburg, wo kaum eine längere Strecke ohne Überwindung von Steigungen zu fahren ist, wäre – vielleicht – ein Babboe mit Tretunterstützung doch komfortabel. Wir haben eines ohne, aber unsere alltäglichen Wege schaffe ich damit ohne größere Probleme. Eine Fahrt in die höher gelegene Innenstadt würde ich zur Zeit damit wohl nicht so einfach bewältigen, der Mann zum Beispiel aber schon. Es kommt vermutlich schon ein bisschen auf die Radfahrfitness an, und die kann man ja trainieren. Würden wir in einer flachen Landschaft wohnen, bräuchte jedenfalls auch ich keinen eMotor.

our new babboe cargo bike.

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Das Babboe hat viele durchdachte Details, beispielsweise die Fußtritte, die den Kindern das selbstständige Einsteigen erleichtern. Oder die Sitzbänke, die man einfach hochklappen kann, wodurch das Babboe dann vom Kindertransport- zum Lastentransportvehikel wird. Eins meiner Lieblingsfeatures ist, dass man an einer roten Ampel einfach gemütlich sitzen bleiben kann. Auch das Zubehör – wir haben einen Babysitz, ein Regen- und ein Sonnendach, Sitzpolster, eine Abdeckung für die Kiste und einen Garagenpyjama – ist qualitativ hochwertig und durchdacht. Den Kindern macht das Fahren im Babboe riesigen Spaß und wir freuen uns ein Loch in die Mütze, dass wir weiterhin, und dank des Babboe nun noch eine ganze Runde komfortabler ohne Auto auskommen.

Das wollen wir nämlich auch in Zukunft, und aller hochgezogenen Augenbrauen zum Trotz. Über grundsätzliche ökologische und politische Aspekte des autofreien Lebens werde ich sehr bald in einem gesonderten Beitrag noch einmal was schreiben. Und auch dem Babboe wird hier sicherlich noch der eine oder andere Beitrag gewidmet werden. Unter anderem will ich euch gerne mal mit der Kamera auf eine Fahrt im Babboe einladen. Mal sehen, wie ich das technisch hinkriege.
Bis dahin gehen wir jetzt in die nächste Testrunde und danken der Firma Babboe und der Agentur Fingerspitzengefühl für das tolle neue Gefährt!