Es ist vollbracht: Noch rechtzeitig vor Weihnachten sind die Quilts für die beiden Jungs fertiggeworden und auf der Reise zu ihnen.
Sie messen beide etwa 150 x 160 cm sind damit groß genug als Tagesdecke, Sofa-Kuschelquilt – oder um sie sich vielleicht tatsächlich ab und zu tröstend um die Schultern zu legen. Ihre Vorderseiten bestehen aus etwa 9 Hemden, 2 Poloshirts, 4 T- Shirts, einem Cordhemd, einer Jeans und einer Anzugweste. Gewünscht war, dass ein Quilt grüne Sterne und ein grünes Backing bekommt, der andere blaue Sterne und ein blaues Backing. Dafür, sowie für die Sterne und das Binding der Quilts habe ich Quilters Linen von Robert Kaufman gewählt. Eine wahnsinnig tolle Serie an Semi Solids in einer großen Auswahl echt schicker Farben. Diese Serie hat es mir echt angetan; ich habe Stoffe daraus schon bei den letzten Quilts verwendet. Die Stoffe passen mit ihrer aufgedruckten Leinenstruktur natürlich perfekt ins Kleidungsthema; die Farben sind kräftig, aber doch dezent genug, um nicht aufdringlich zu sein. Gequiltet habe ich das ganze in diagonalen Linien.
Trotz der vielen unterschiedlichen Stoffqualitäten, die ich verwendet habe, ist die Oberfläche des Quilts schön gleichmäßig und harmonisch geworden. Ich mag die Optik der Quilts. Die Kleidung des verstorbenen Papas steht klar im Vordergrund; die vielen kleinen Quadrate ergebenden typischen „Patchwork- Look“, der bei den meisten meiner Kund_innen immer noch ganz oben auf der Wunschliste steht. Zusammen mit den den Sternen sieht das auf jeden Fall cool genug aus, damit es auch zwei großgewordenen Jungs noch gut gefallen kann.
Die Quilts wirken bunt und fröhlich, sie haben nichts Trauriges an sich. Was es mit dem Quilts auf sich hat, drängt sich nicht auf. Das weiß nur, wer die Geschichte dahinter kennt. Ich denke, ein solcher Quilt ist eine sehr schöne Möglichkeit etwas von einer lieben verstorbenen Person lebendig zu halten, ohne sich dadurch bedrückt zu fühlen. Er ist ein wertvoller Alltagsgegenstand – aber eben ein Alltagsgegenstand. Etwas, das immer da ist, regelmäßig benutzt wird, und im Idealfall bei guter Pflege über Generationen weitervererbt werden kann. Es war mir wichtig, die Quilts so zu gestalten, dass sie eine positive Ausstrahlung haben, damit sie auch gern benutzt werden. Dennoch wollte ich Raum lassen für Momente der bewussten Erinnerung. Daher habe ich nicht versucht, zu „vertuschen“, dass es sich bei den Stoffquadraten um Kleidung handelt. Sondern habe absichtlich auch Quadrate eingearbeitet, auf denen bei genauerem Hinsehen noch ein Stück einer Brusttasche, einer Knopfleiste oder ein kleines Label zu erkennen sind. Für die Augenblicke, in denen sich die Jungs bewusst an ihren Papa erinnern wollen, machen solche kleinen „Eselsohren“ die Bilder vielleicht leichter abrufbar.
Meine Beiträge zu diesen beiden Quilts aus der Kleidung eines verstorbenen Vaters haben große Resonanz hervorgerufen. Ich bekam viele interessierte Mails, viele Anfragen. Ob ich mal wieder einen Auftrag bekomme, bei dem ich mit der Kleidung einer verstorbenen Person arbeiten darf? Ich bin neugierig, ob es beim zweiten Mal eine andere Erfahrung ist. Bei diesem ersten Mal war es wirklich Arbeit, mit den emotionalen Aspekten dieses Auftrags umgehen zu lernen. Es ist ja nicht mein Job, beim Nähen in die mir anvertraute Kleidung zu weinen. Es wäre aber auch fast schon despektierlich, wenn mir ein solcher Auftrag emotional überhaupt nicht nahe gehen würde. Die richtige Balance zwischen beiden Polen, denke ich, ist ein entscheidender Faktor, um diese durchaus wichtige Arbeit sowohl mit dem nötigen Einfühlungsvermögen, als auch mit der notwendigen professionellen Distanz erfüllen zu können. Ich bin jedenfalls recht zufrieden mit mir selbst in dieser Hinsicht. Auch für mich war dieser Auftrag eine wichtige Erfahrung.
Mit den beiden Quilts ist nun auch der Duft aus meiner Werkstatt verschwunden, der bei diesem Auftrag so zentral war. Meine größte Sorge war, dass die Quilts diesen wertvollen Duft verlieren würden, oder gar zuviel von unserem annähmen, während ich an ihnen arbeite. Ich habe sie deshalb vor dem Versand nicht gewaschen (was ich sonst immer tue), und sie in ihrem riesigen Versandkarton direkt auf die restliche Kleidung, die ich nicht verwendet habe, gelegt. Jetzt bin ich sehr gespannt, wie die Jungs ihre Quilts finden – ob ich das wohl erfahren werde? Gute Reise, ihr beiden ganz besonderen Stücke!
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Hier gibt es Episode 1 und Episode 2 zur Geschichte und der Herstellung dieser Quilts zu lesen.
2015 gibt es noch ein paar freie Plätze in meinem Auftragsbuch – Quiltwünsche gerne über das Kontaktformular. „Und was kostet sowas?“ – Eine Antwort auf die Frage, die ich zu meinen Quilts am häufigsten gestellt bekomme.
Der letzte Quiltauftrag für dieses Jahr ist ein ganz besonderer – in mehrerlei Hinsicht. Besonders ist, dass ich für eine Kundin gleich zwei Quilts nähen werde. Besonders ist auch, dass beide Quilts fast aussschließlich aus Kleidung bestehen werden. Die beiden Quilts werden Weihnachtsgeschenke sein für zwei Jungs, und sie werden gemacht sein aus den Hemden und Shirts ihres an Krebs verstorbenen Vaters.
Insbesondere der letzte Aspekt macht diesen Auftrag so besonders und hat mich nicht nur traurig gemacht, sondern auch sehr zum Nachdenken angeregt. Daher werde ich über diese beiden Quilts in mehreren Episoden schreiben. Heute geht es um den Umgang mit einem solchen emotional beladenen Auftrag, und um den Umgang mit dem „Material“, also mit der Kleidung, die ich dafür geschickt bekam.
Wenn ich mir so vor Augen halte, welche Dimensionen dieser Auftrag hat, denke ich immer wieder: Uff. Was für eine traurige Geschichte. Man kann sich nicht wirklich vorstellen, was diese Familie hinter sich hat; wieviele schwere Tage und Wochen sie durchlebt hat, und wie viel Trauer auch in der Zukunft noch vor ihr liegt. Andererseits: Wow. Was für ein Vertrauensbeweis in meine Arbeit. Von Anfang an bestand dieser Auftrag aus diesen beiden Seiten einer Medaille, und mir wurde schnell klar, dass es vollkommen okay ist, wenn mir beim Nachdenken über das Schicksal dieser Familie Tränen in die Augen steigen- dass es andererseits aber auch mein Job ist, mich von dieser emotionalen Ebene zu distanzieren und zwei professionelle Quilts anzufertigen. Ich gebe zu, dass ich ein bisschen Anlauf gebraucht habe, bis mir das gelungen ist.
Alexandra schickte mir einen großen Karton, der erstmal ein paar Tage ungeöffnet blieb bis ich einen ruhigen Moment fand, mich ihm zu widmen. In einer ihrer Mails hatte sie geschrieben, dass es ihr nicht leicht gefallen sei, die Kleidung ihres verstorbenen Mannes zu sortieren. Weil sie immer noch seinen Körpergeruch enthielte. Als ich den Karton öffnete, entströmte ihm tatsächlich ein intensiver Duft, der noch eine viel tiefere Note, als bloß die von frisch gewaschener Wäsche besaß. Zu wissen, wie wertvoll genau dieser Duft dieser Frau und den Kindern ist, ließ mir einen großen Kloß im Hals wachsen, und trieb mich in den Tagen danach sehr um. Während ich die Kleidungsstücke sortierte – Karohemden, Shirts, Teile eines Hochzeitsanzugs – musste ich ein paar mal pausieren und tief durchatmen. Danach war ich immer darauf bedacht, den Karton nicht offen stehen zu lassen, damit bloß dieser Duft erhalten bliebe. Gleichzeitig verband ich diesen Duft unmittelbar mit der Tragik der Geschichte hinter diesem Auftrag. Er wurde schnell zum Sinnbild der emotionalen Komponente dieses Auftrags und einer Art Hürde, die ich übersteigen muss, um mich auf die professionellen Aspekte meiner Arbeit zu konzentrieren.
Dann begann ich mit der Zuschneidearbeit: Die Kleidungsstücke mit der Stoffschere zerschneiden, dann mit Lineal und Rollschneider in Streifen und Quadrate teilen. Anfangs waren der Duft und der Kloß im Hals noch sehr präsent, doch je mehr ich ins Tun geriet, desto leichter war es plötzlich, die traurigen Gedanken dieser Geschichte gehen zu lassen und mich um all die schönen Aspekte dieser Quilts zu kümmern. Bald war der Duft der Kleidung eine liebenswürdige Begleitung meiner Arbeit und ich konnte mich auf das Material konzentrieren, mit dem ich arbeitete; auf die unterschiedlichen Stoffe, Farben, Muster, und darauf, wie die einzelnen Kleidungsstücke am besten zerteilt werden, im den Stoff so ergiebig wie möglich nutzen zu können.
Zuschneidearbeit ist relativ eingängige Arbeit, bei der die Gedanken nebenher ein bisschen Freilauf genießen können. Vor meinem inneren Auge sah ich zwei Jungs, zwei Schulkinder, deren Betten tagsüber mit diesen Quilts abgedeckt sind. Die sich vielleicht unter diese Decken kuscheln, wenn sie krank sind, oder darauf sitzen und ein neues Legoset zusammenbauen. Zwei Teenager, die diese Quilts vielleicht für ein paar Jahre in die hinterste Ecke des Schranks verbannen. Zwei flügge gewordene junge Männer, denen es wichtig ist, diese Erinnerungsstücke mitzunehmen, wenn sie von zuhause ausziehen. Zwei verliebte Kerle, die dem Mann oder der Frau ihres Herzens mit feuchten Augen und lächelnden Lippen anhand dieses Quilts die Geschichte ihres Vaters erzählen. Zwei Studenten fortgeschrittenen Semesters, in deren Wohnungen die Quilts einen festen Platz haben. Zusammengelegt auf dem Sofa. Als Spieldecke für das erste Kind. Als Überwurf für den Lieblings- Lesesessel. Und egal welchen Alters die beiden Jungs sind, die ich mir vorstelle: Natürlich werden sie immer wieder traurig sein über den Verlust ihres Vaters. In diesen Momenten, hoffe ich, können ihnen die Quilts vielleicht Trost spenden. Dann sehe ich sie vor mir, wie sie von den Quilts aus der Kleidung ihres Papas über ihren Schultern umarmt werden.
Mit all diesen kleinen Geschichten, die ich mir ausmalte, verlor der Auftrag seine Schwere und gewann an schönen, tröstlichen Aspekten. So wünsche ich mir auch, dass die beiden Quilts, die hier entstehen, keine schweren Decken aus belastenden Erinnerungen sein werden. Sondern Lieblingsstücke, die man gerne um sich hat, die ganz selbstverständlich auf dem Sofa liegen können; die es leicht machen, die Erinnerung an eine liebe Person Teil des alltäglichen Lebens sein zu lassen. Den Gedanken, dass durch diese Quilts „etwas“ von der verstorbenen Person; sei es ihr Spirit, ihre Seele, oder die Erinnerung an sie, auf eine angenehme, wohlige Art Teil des Lebens der Hinterbliebenen ist, lässt es mir warm ums Herz werden.
Die Arbeit daran fällt mir nun leicht; ich freue mich sehr, dass ich so eine wichtige Aufgabe übernehmen darf. Nachdem ich nun alle der insgesamt 770 Einzelteile für die beiden Quilt Tops fertig zugeschnitten habe, freue ich mich darauf, sie bald fertig zusammengenäht vor mir zusehen. Was ich mir zum Layout dieser beiden Memory Quilts ausgedacht habe, könnt ihr dann in der nächsten Episode dieser kleinen Reihe lesen.